Laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) sind 10-30 Prozent der Medikamente, die beispielsweise in Asien, Afrika und Lateinamerika verkauft werden, gefälscht. Oft kommen die Pillen, die in nicht zugelassenen Versandapotheken via Internet verkauft werden, aus diesen Kontinenten.
Geld & Leben hat Testkäufe verschiedener Medikamente im Internet gemacht und diese anschließend in ein Labor zum Prüfen gegeben. Der erste Schritt: Wir suchen eine Apotheke in München auf. Wir wollen die Medikamente im Original sehen, die wir später im Internet bestellen werden. Teure Lifestyle-Produkte mit hoher Gewinnspanne für Hersteller und Händler, die es lohnt zu fälschen.
Medikament Nr. 1: Viagra
Viagra ist ein weltbekanntes Potenzmittel, angeblich das meistgefälschte Medikament der Welt. Unverbindliche Preisempfehlung für eine einzige Tablette: gut 11€.
Medikament Nr. 2: Propecia
Propecia ist ein Hormonmittel gegen Haarausfall. Pro Tablette etwa 2,10€.
Beide Medikamente gibt es nur mit Rezept vom Arzt, auf eigene Rechnung. Die Kasse zahlt nichts.
Wir haben kein Rezept, versuchen die Mittel aber trotzdem zu bekommen. Dazu machen wir bei verschiedenen Internethändlern Testkäufe. Wir geben in eine Suchmaschine „Viagra" ein und wenden uns gleich an einen der ersten angezeigten Internethändler: Alles privat, vertraulich und ohne Rezept - so verheißt die Werbung.
Wir ordern 24 Pillen für 83 €, das ist gerade mal ein Drittel des Normalpreises. Allerdings sind es wohl Generika, also identische Nachahmerprodukte. Die Bestellung wird einem leicht gemacht. Die einzige Hürde, man soll versichern, 18 Jahre alt zu sein. Ein Klick auf das Impressum zeigt eine Adresse in Kanada. Bezahlt wird per Vorkasse - fertig. Die erste Sendung Viagra ist bestellt, tatsächlich ohne Rezept und zum Schnäppchenpreis.
Wir suchen weiter, bestellen diesmal Viagra - das Original. Wieder zum Schnäppchenpreis, wieder ein Händler aus Kanada, wieder ohne Rezept. Kinderleicht.
Eine letzte Order Viagra. Diese Pillen sind etwas teurer als in einer deutschen Apotheke, dafür wieder ohne Rezept.
Bei Propecia, dem Haarwuchsmittel, werden wir ebenso fündig. Originale und identische Generika etwa zum halben Preis, alles ohne Rezept. Nur einmal erwartet uns ein medizinischer Fragebogen, der aber komplett vorausgefüllt ist, also auch kein Hindernis darstellt. So ordern wir wieder bei drei verschiedenen Pillen-Shops per Vorkasse und sind gespannt, was uns bei der Lieferung erwartet.
Bereits nach einigen Tagen kommt die erste Sendung, getarnt als privater Brief mit privatem Absender. Nach und nach treffen alle Lieferungen ein, die meisten direkt aus dem Ausland, teilweise anonym und so geschickt verpackt, dass sie problemlos den Zoll durchlaufen haben. Der beschlagnahmt sonst auffällige Sendungen, da diese häufig gegen Patentrechte verstoßen.
Medikamentenanalyse im Labor
Arzneimittelfälschung
Unsere Bestellungen wollen wir nun von einem Labor testen lassen, das auf Medikamentenanalyse spezialisiert ist, die LAT GmbH in Gräfelfing bei München. Alle Lieferungen werden genau registriert. Verblüffend: Keine davon enthält ein Anschreiben und keine eine ordentliche Schachtel. Die Tabletten wurden einfach so in wattierte Kuverts gesteckt, die Herkunft ist nicht nachvollziehbar.
Mangelnde Informationen zu den Medikamenten
Schon durch diese Aufmachung entsprechen die Lieferungen nicht dem deutschen Arzneimittelgesetz. Zwei Lieferungen enthalten gar keinen Beipackzettel, Informationen zum Medikament fehlen völlig. Drei Lieferungen haben nur einen komplizierten englischen Begleittext und eine Lieferung sogar einen falschen. Wir werden völlig allein gelassen mit diesen Pillen, wüssten also nicht einmal, wie wir sie einnehmen sollen.
Dann kommt die Analyse. Zuerst Viagra. Was ist wirklich drin in den Tabletten, sind sie echt oder gefälscht? Das Labor bereitet unsere drei Viagraproben auf, als Vergleich dazu noch das Original direkt vom Hersteller. Es wird untersucht, ob der Hauptwirkstoff in der vorgeschriebenen Menge des Originals vorhanden ist. Das Ergebnis ist schockierend: nur einmal korrekt, zweimal starke Abweichungen, also offensichtlich Fälschungen.
Dr. Gerolf Tittel, LAT GmbH, Gräfelfing:
"Von drei untersuchten Produkten sind zwei Produkte in keinem Fall verkehrsfähig. Das eine schädigt durch zu geringen Gehalt an Wirkstoff den Geldbeutel, das andere kann die Gesundheit gefährden, weil es zu viel enthält oder falsch deklariert ist. Das Dritte, das wir untersucht haben, ist ein Originalprodukt, diesmal aus einem anderen Kontinent, aus USA oder China und dieses Produkt entspricht."
Die Viagra-Bestellungen werden noch einmal getestet. Diesmal geht es darum, wie rein die Pillen sind, ob außer dem Hauptwirkstoff noch etwas anderes darin ist, was nicht hinein gehört. Das Ergebnis: Die beiden Fälschungen weisen deutliche Verunreinigungen auf. Zusätzliche Stoffe, über die ohne genauere Analysen nichts gesagt, eine Gesundheitsgefährdung aber nicht ausgeschlossen werden kann.
Nächster Durchlauf: das Haarwuchsmittel Propecia. Auch die bestellten Originale entpuppen sich nur als Nachahmerprodukte, der Kennzeichnung nach aus Indien.
Diesmal fällt das Ergebnis anders aus. Alle Proben sind im Vergleich zum Original korrekt und sauber. Bedenklich bleibt so eine Bestellung trotzdem.
Dr. Gerolf Tittel, LAT GmbH, Gräfelfing
"Das Gesamtergebnis dieser Studie zeigt, dass der Verbraucher im nichtregulierten Bereich des Internets allein gelassen ist, allein gelassen mit Präparaten, die mögliche Gesundheitsschädigungen aufweisen können, die eventuell in ihrer Wirksamkeit gemindert sind. Mit Aufmachungen, in denen die Informationen für den Patienten nicht verfügbar sind. Das heißt in der Umgehung der Verschreibungspflicht durch das Internet, umgeht der Verbraucher jeglichen Schutz für seine Gesundheit."
Bilanz unserer Stichprobe, auch wenn sie nicht repräsentativ ist: mit jeder dritten Bestellung reingefallen! Also: Hände weg von dubiosen Bestellungen aus dem Internet.
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