Zur Geschichte der Landschafts-Apotheke in Baden bei Wien von 1600 bis 1970
Die Landschafts-Apotheke in Baden bei Wien blickt auf eine lange Vergangenheit zurück und kann wohl als die älteste Apotheke dieser Stadt bezeichnet werden.
Leider fließen die Quellen und die geschichtlichen Untersuchungen nicht in dem notwendigen reinen Maße, so daß die Angaben über das Schicksal der Landschafts-Apotheke und ihrer jeweiligen Besitzer nicht ausreichend, lückenlos und mit größter Sicherheit wiedergegeben werden können.
Weder besitzen wir schon ein großangelegte Geschichte der Pharmazie in Österreich, noch eine umfassende Bibliographie österreichischer pharmaziegeschichtlicher Veröffentlichungen und was Badens Apothekengeschichte angeht, wissen wir nicht allzuviel, sondern beklagen vielmehr das Abhandenkommen einer ganzen Reihe wichtigster Urkunden in den Jahren der türkischen Überfälle von 1529 und 1683, wie auch verschollene geschichtliche Vorarbeiten von Badner Geschichtsfreunden.
Trotzdem muß immer wieder der Versuch gewagt werden die Vergangenheit zumindest skizzenhaft zu zeichnen und die Hoffnung ausgesprochen werden, daß doch noch verschwundene Unterlagen wiederum ans Licht treten oder neu entdeckte Quellen ein genaueres und inhaltsvolleres Bild darzustellen erlauben. Dankbar müssen die Namen Dr. Hermann Rollett, Carl und Gustav Calliano genannt werden, deren Aufzeichnungen uns Heutigen Hilfe bieten, auch von der Landschafts-Apotheke in Baden einiges aussagen zu können.
Der Name dieser Apotheke weist auf ihre Errichtung durch die "Landschaft" hin. Darunter sind die vier Landstände (Prälaten, Herren, Ritter und Städte) zu verstehen, die eine gesetzliche, wenn auch sehr beschränkte politische Wirksamkeit bis 1848 ausgeübt haben. In Niederösterreich gab es bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts nur in Wiener Neustadt, Sankt Pölten, Krems und Melk öffentliche Apotheken. Erst im Jahre 1577 wurden durch Beschluß der niederösterreichischen Stände in jedem Viertel des Landes ein Arzt eingesetzt und je zwei Apotheken gegründet bzw. unterstützt. So entstanden im Viertel unter dem Wienerwald die Landschaftsapotheken in Wiener Neustadt und Baden. Über die Anfänge der Badner Landschafts-Apotheke breitet sich noch Dunkel aus, aber es ist wohl anzunehmen, daß sich die allgemeine geschichtliche Entwicklung des Apothekenwesens, wenn auch örtlich bestimmt, auch in Baden abgezeichnet hat.
Einrichtungen und Erfahrungen im Gesundheitswesen, die Entwicklung des ärztlichen Berufsstandes beförderten auch die allmähliche Herausgestaltung der Apotheke. Noch im 13. Jahrhundert hatte das Wort "Apotheke" nichts als einen Kramladen bezeichnet. Später hießen Gewürzladen Apotheken.
Das Geschäft des öffentlichen und meist ungehinderten "Kurierens" übten wegen des Mangels an Ärzten auf dem Lande Geistliche, Schullehrer, alte Frauen, Juden, Schäfer, Scharfrichter, Abdecker und eine Menge umherziehender Quacksalber von Profession aus.
Die Heilmittel, meist aus dem Pflanzenreich, lieferten die "Kräuterfrauen" und "Wurzelgraber". Von den Badern im alten Baden wissen wir, daß sie mit wildwachsenden Heilkräutern handelten, Medizinalpflanzen anbauten und sie im großen versandten. Die Bader, oft Meister betitelt, besaßen die öffentlichen Badehäuser selbst oder führten sie als Angestellte der Stadt und betrieben neben dem eigentlichen Badegeschäft ("Schrubben und Zwagen") die sogenannte niedere Chirurgie. Sie rasierten und schnitten die Haare, scherten den Bart, schröpften, ließen zur Ader, setzten Blutegel, rissen Zähne und halfen Kranken nach den Gepflogenheiten überlieferter Volksheilkunde.
Erst am Ausgang des 14. Jahrhunderts bürgerte sich für die Einrichtung, wo Arzneimittel bereitet und verkauft wurden, die Bezeichnung Apotheke ein. Der Hauptmarkt für Apothekenwaren befand sich im Mittelalter in Venedig. Hervorgehoben muß werden, daß bis nahe an 1600 heran die Landbevölkerung ohne die bewährte Krankenfürsorge benachbarter Klöster und der von diesen eingerichteten Pilgerherbergen ohne fachlichen Rat, zweckmäßige Hilfe und ohne Arzneien gewesen wäre. Die geistliche Konkurrenz, die da mit den öffentlichen Apotheken bereitet wurde, hob erst Kaiser Josef II. durch die Sperre der Klosterapotheken oder deren Umwandlung in öffentliche Apotheken auf. So ist auch anzunehmen, daß Badens leidende Bevölkerung im Augustinerkloster entsprechende Behandlung gefunden hat. Das im Jahre 1787 aufgehobene Kloster ist wiederholt zerstört und durch Brände vernichtet worden. Dabei sind auch seine Archivalien verloren gegangen. Im städtischen Museum im Baden befindet sich eine große Darstellung einer Augustinerkloster-Apotheke.
Von den verschiedenen Vorschriften, Ordnungen und Statuten zur Regelung des sich entwickelnden Apothekerwesens sei einiges angeführt, weil diese Verfügungen, wenn auch nicht besonders für die landesfürstliche Stadt Baden erlassen, doch für sie verbindlich waren und Hinweise auf die Art und Weise des Betriebes ihrer ortseigenen Apotheke liefern.
Schon die Apothekerordnung des Herzog Albrecht V., gegeben in Wien im Jahre 1416, ordnete die Visitation der Apotheken an, wie sie der Reichtagsbeschluß von 1548 allgemein vorschrieb und von Ratsmitgliedern und Stadtärzten durchzuführen befahl. Die Statuten der Apothekerinnung in Wien von 1457, die Apothekerordnung von 1644 für Wien und Österreich unter und ob der Enns wiederum bestätigt im Jahre 1713 und 1744, ergaben die gesetzlichen Richtlinien für die Führung und Einrichtung der Apotheken in langen Zeitläufen.
In den Statuten von 1457 heißt es, daß nur jemand eine Apotheke halten dürfe, der "bewährt worden von den Doktoribus der Arznei und den anderen Apothekern". Vom Jahre 1770 ab, mußte jeder Besitzer oder Leiter einer Apotheke an einer inländischen Universität geprüft sein. Seit 1804 erfolgte die Zulassung zu dieser Prüfung nur nach einem einjährigen Hochschulbesuch. 1833 wurde das pharmazeutische Studium auf zwei Jahre ausgedehnt und später mit den Studienordnugnen von 1853, 1859 und 1889 durch eine Vermehrung der Unterrichtsstunden und durch die Aufnahme neuer Fächer weiter ausgestaltet. 1922 erfloß eine neue Studienordnung, auf der die jetzige Ausbildung der Apotheker in Österreich gründet.
Ob "irer majestat richter zu Baden Eberharden, appodeckher", wie es in einem Befehl Kaiser Maximilians I. im Jahre 1518 heißt, der "lateinischen Küche" einer Badner Apotheke vorgestanden hat, kann nur vermutet werden. Die Reihe der überlieferten Besitzer der Landschafts-Apotheke kann erst aus erhaltenen Verzeichnissen von Badner Bürgern vor 1683 belegt werden. So lesen wir um 1600 von Jakob Schauer, Apotheker zu Baden, der am 13. Februar 1602 die Eingabe an die drei oberen Stände richtet und um Herabsetzung des Grunddienstes von seinem unter das Grundbuch des Herzogs Badens gehörigen Hauses bittet. Im Jahre 1619 scheint Georg Schiechl als Apotheker auf und 1669 Friedrich Stiffger.
Mehr wissen wir von dem Apotheker Andreas Herzog. Er wurde 1646 geboren, kam 1679 in den Inneren Rat der Stadt, war 1680 Stadtkämmerer und überlebte glücklich die zweite Türkeninvasion im Jahre 1683. Aus diesem Unglücksjahr ist uns die Gestalt des "Türkenwenzel" überliefert, der den Badnern ein großer Helfer in der Not war und von dem mitgeteilt wird, daß er im Winter in der Badner Apotheke als Helfer im Laboratorium werkte, er im Sommer aber einen Badediener ("Badewachel") abgab. Im Herbst des Jahres 1683 wurde Apotheker Herzog zum Mühlamtsverwalter ernannt. Als solcher hatte der die Spitalmühle die "gemaine" Stadtmühle sowie deren Weinkellereien unter sich. Im Jahre 1683 starb Apotheker Herzogs "Ehewirthin Katharina" mit Hinterlassung zweier Kinder. Von 1697 bis 1699 übte der Landschafts-Apotheker Andreas Herzog das Amt des Stadtrichters in Baden aus. Am 12. Oktober des Jahres 1699 wurde er begraben.
Herzogs Nachfolger in der Landschafts-Apotheke wurde der im Jahre 1668 geborene Johann Wilhelm Mandt. Er heiratete 1700 die zweite nachgelassene Gattin von Andreas Herzog und wurde Besitzer Landschafts-Apotheke. Diese lag damals neben dem Rathaus und brannte bei dem großen Brand im Jahre 1714 ab. Mandt Starb als Stadtkämmerer im Alter von 72 Jahren und wurde am 4. Oktober 1740 zu Grabe gebracht.
Um 1746 wird ein Apotheker Franz Josef Schidler genannt, um 1752 Joseph Stampf, um 1759 Johann Ränker und um 1805 Paul Gindra. 1812 erfuhr das Haus der Apothekerswitwe Cäcilia Gindra auf dem Hauptplatze (alte Nr. 50, heute Nr. 2) bei dem großen Brande am 26. Juli eine starke Beschädigung. Aus einer Beschreibung " der l.f. Stadt Baaden" aus dem Jahre 1801 erfahren wir, daß die Landschafts-Apotheke unter der Aufsicht des Physikus steht, mit "allen Nothwenigkeiten gehörig versehen ist", sich mitten in der Stadt auf dem Hauptplatze befindet und auch das "gereinigte Baadnersalz" vertreibt.
Um 1870 tritt der "approbirte" Apotheker Johann Tillmetz auf, der mit dem "Medicinae Doctor" Joseph Tetzer eine "Chemische Analyse des Johannis Badwassers bey Baden" durchgeführt und das Ergebnis veröffentlicht hat.
Deutlicher titt uns Johann Nepomuk Trost aus der Vergangenheit entgegen. Dieser erblickte am 28. Jänner 1788 als Sohn des Bürgermeisters von Wiener Neustadt das Licht der Welt. Am 11. August 1811 trat Trost als Provisor in die Landschafts-Apotheke ein. Er ehelichte die Witwe des früheren Besitzers dieser Apotheke, erwarb diese 1813 samt dem Haus (heute Hauptplatz Nr. 2) und wurde damit Bürger von Baden. Das Haus, ein Bürgerhaus aus dem 18. Jahrhundert zeigt über dem Toreingang einen Fries, der Putten mit Apothekergeräten darstellt. Es liegt der heutigen Landschafts-Apotheke (Hauptplatz 13) gerade gegenüber.
Im Mai des Jahres 1819 errichtete Trost mit dem Apotheker Joseph Morawetz von der Apotheke "Zum heiligen Geist" (gegründet 1814) eine "Trink-Kuranstalt aller gangbaren Mineralwässer" im "Kiosk", der großen offenen Halle im städtischen Park, die bald nach 1850 abgetragen worden ist.
Am 15. Mai 1832 wurde Trost zum Bürgermeister der Stadt Baden gewählt und am 5. Juni feierlich installiert. Er blieb Bürgermeister bis zu seinem Ableben. Unter ihm wurde in den Jahren 1852/1853, nach den Plänen des Wiener Architekten Karl May, das erste Badner Dampfbad, das bis 1901 bestand, erbaut. Es stand an der Stelle der späteren "Kuranstalt".
Am 1. Oktober 1866 starb Bürgermeister und Besitzer der Landschafts-Apotheke Johann Nepomuk Trost im 78. Lebensjahr. Sein Bildnis, nach einer Litographie Eybl´s von 1852, gemalt von Bair, hängt im Sitzungssaal des Rathauses.
Der nächste Besitzer der Landschafts-Apotheke ist der Magister der Pharmazie Leopold Schwarz. Am 1. Mai 1812 zu Brünn geboren, an der Universität nach absolviertem Studium geprüft und diplomiert, kam er 1837 nach Baden und heiratete 1838 die Tochter Anna des Bürgermeisters Trost.
Im Laufe der 40 Jahre, die Magister Schwarz in Baden verlebte, war er in der Gemeinde als Ausschuß tätig, war Schulaufseher, war an der Gründung des "Spitales für arme skrophulöse Kinder" im Jahre 1852 beteiligt und bis zu seinem Tode Verwalter dieses Spitales. Er veranstaltete unzählige Akademien, Konzerte und Theatervorstellungen um die Reinerträgnisse humanitären Zwecken zuzuführen.
Die Landschafts-Apotheke leitete er von 1867 bis zu seinem Ableben am 10. Oktober 1877. Er hinterließ eine zahlreiche Familie. Einer seiner Söhne, Karl Guido Schwarz, geboren am 28. Mai 1847 in Baden, führte zu Lebzeiten seiner Mutter bis 1888 die Landschafts-Apotheke als Provisor und von da an als Besitzer bis 1912.
Karl Guido Schwarz war Vorstand des Apotheker-Gremiums des Viertels unter dem Wienerwald, war Badner Gemeinderat und Obmann des seit 1893 bestehenden "Deutschfortschrittlichen Vereines für Baden und Umgebung".
Ein Jahr lang, von 1912 bis 1913 ist René Besitzer der Landschafts-Apotheke. Dann folgt bis 1925 Otto Haberfeld, in dessen Familie sich die Landschafts-Apotheke bis heute (1970) befindet.